Dienstag Morgen, 11h. Ich treffe den, den mancher Tourist noch vor dem Michel oder dem Fernsehturm
als Wahrzeichen aufzählen würde. Mit seiner Hymne „Hamburg meine Perle“ hat er dieser meiner Stadt ein akustisches Denkmal verpasst! Den Text kann jeder Hamburger im Schlaf.
Gerrit Heesemann, alias LOTTO KING KARL (*1967). Einst Abiturient, Packer, Kurierfahrer,
Ausbildung bei der Marine, dann Bank und viele Jobs neben Studium, erfolgreicher Basketballer, Musiker.
„Berühmt werden wollte ich nicht, lieber Mittelstürmer beim HSV“.
Berühmt ist er nun doch geworden, sein Bekanntheitsgrad reißt einmal um die ganze Welt. Alle
paar Sätze fallen irgendwelche Promis (Encke, Neuer, Campino & Co), mit denen er verkehrt. Doch er brüstet sich damit nicht, er bewertet weder Status noch Hautfarbe oder Herkunft
Es ist nicht leicht, ihm etwas zu entlocken, das noch in keinem virtuellen Duden steht. Und
trotzdem spricht er wie ein Wasserfall – und während er voll Inbrunst, Elan und Leidenschaft von seinen 3 Bands (u.a. „Barmbek Dream Boys“) spricht, von Auftritten in S-Bahnen, in
Flugzeugen und großen Hallen, braucht er nicht mal Pausen, um wenigstens kurz Luft zu holen. Zum Abschluss sagt er nur: "Aber nicht erwähnen, okay?" Natürlich nicht.... wäre
ja völlig an meinem Thema vorbei! ;-)
Ich bin so konzentriert, ihm wenigstens nur eine Antwort auf meine Fragen zu entlocken, doch
scheitere ich kläglich. Ich gebe auf und mich lieber hin. Seine Geschichten sind Anekdoten, die meine Lachmuskeln herausfordern. Am Ende weiß ich immerhin, dass er nur Mamas Grünkohl isst und
Leberkäse hasst, er stets mit einem Koffer voller CDs reist, er keine Kinder hat, ihm die besten Ideen schon mal im häuslichen Schaumbad kommen, er gedanklich mit dem HSV einschläft und
morgens mit ihm erwacht. Zwischenzeitlich imitiert er Udo Lindenberg, erklärt mir, wie viele Stunden Logopädie hinter ihm liegen, um sein Lispeln runter zu fahren, nachdem er auch schon die lange
Matte in den Griff bekam, besser: unters Messer.
„Eigentlich bin ich der langweiligste Typ unter der Sonne!“ wirft er ein, und ich glaube ihm das
auch – mit leicht gekreuzten Fingern unterm Tisch.
Lotto ist einer zum Anfassen, er spricht mit jedem („Peinlich, jemand die kalte Schulter zu
zeigen!“). Einer seiner Bands hat einen derart ungewöhnlichen Namen, dass ich mir den auch beim 4. Nachfragen nicht ohne Eselsbrücken merken kann. Lotto ist glücklich, wenn - es
die Menschen um ihn herum sind! Leiden die Spieler, leidet er mit.
Er arbeitet hart, ist tolerant, und Fairness geht ihm über alles („Ich verlange von anderen nur,
was ich mir selbst würde abverlangen!“) Nach 2 Stunden an meinem Esstisch, 10 Erdbeeren und 4 Zigaretten, muss ich seinen Wortschwall bremsen. Doch noch im Türrahmen fallen ihm die nächsten
Stories ein, vom Grandprix 2000, bei dem er immerhin einen einstelligen Platz belegen konnte. Ach ja, und hatte er mir schon gesagt, dass er gern Hopihalido (Holsten halbe Literdosen)
trinkt?
Bei mir gabs heut' nur Wasser mit Pfefferminzblättchen. Er ist gerade 3 Minuten aus der Tür, da
legen sich die Puzzlestücke wie von selbst zusammen.
ich sehe Lotto bei einer Panzerprüfung für Galileo und beim Speedboating. Natürlich kam ich nicht
dazu, ihn zu löchern, wie man den Jackpot im Lotto schafft (Legende). Und wie die Luft da oben ist, wenn er auf diesem Kran im HSV-Stadion seine Hymne vor einem Millionenpublikum anstimmt und für
kollektive Gänsehaut und Stimmeinlagen sorgt.
Lotto ist cool, einer ohne Starallüren, und heute hat er eine Perle auch noch ziemlich glücklich
gemacht: meine Cousine, eine von vielen aus der wachsenden Fangemeinde, die zufällig Geburtstag hatte. Natürlich spricht Lotto ihr ein Ständchen aufs Handychen.
Zeit, sein Geschenk aus der Folie zu reißen: die CD von den Dreamboys (natürlich eigenes
Label).
Barmbek Dream Boys /
Lotto& die 3 Richtigen / Mr. Macho y los muchos Macho Muchachos