Conni Köpp meets Uli Salm.

Es zwickte mich...

 

Wer den Laden nur nachts kennt, mitten im Pulk von Nachtschleichern, die zu später / früher Morgenstund den Tresen zum Tanzparkett eröffnen, zu rockigen Klassikern wehmütig in ihre Gläser blicken, nach jedem weiteren Schnaps eigene Lieder performen und es tatsächlich das Natürlichste der Welt zu sein scheint, dass torkelnde Gestalten spirituose Pfützen vom Tresen lecken… DER hat keine Vorstellung davon, wie.... sich das Zwick morgens um 10 anfühlt, wenn es sich eine Auszeit von der Nachtschicht gönnt.

 

Es zwickte mich, das zu erfahren, und deshalb sitze ich jetzt vis a vis dem Chef: Uli Salm.

Stille und O-Saft an einem Mittwoch-Morgen - im 2. Wohnzimmer vom Uli, welches er in diesem Jubeljahr schon 65 Jahre mit seinen (Stamm)Gästen teilt. Und alle kommen immer wieder. Hier kennt man sich bereits in 4. Generation. Für  Uli ist sogar mehr:  das Zwick nicht nur ein Laden, denn erst recht auch (sein) Leben, sein Herzblut, sein Haus, seine Schatzkammer voller Erinnerungen, voller Jugend- und Meisterjahre. 

Hinter die Mauern im Böhmersweg kam er Ende der 60er, nachdem sein Vater 1962 das Haus gekauft hatte (und Uli 1991 vom damaligen Betreiber schließlich den Laden).

 

Abi in der Tasche, Beginn des Jurastudiums, aber die Musik war Schuld, dass er die Paragrafen gegen Noten tauschte, zurück zur Leidenschaft, die wie ein roter Faden durch sein Leben laufen sollte. Seine Karriere begann bereits in der Schulzeit. 

Lang ist es her, doch sieht man Uli gar nicht an, dass er in knapp 5 Jahren die 7. Null feiern darf.

Pralles Leben im Überfluss, Rentnerei sei ihm fremd, denn… das Leben gehe doch erst richtig los! Wenn er spricht, schwingt die Rockerseele mit, in seinen Silben liegt der Bass - und trotzdem ist weder aufdringlich noch laut.

 

Stolz erzählt er mir, dass gerade das Auktionshaus „Heritage Auctions“ (Dallas, Texas) auf ihn zukam, weil seine Bass-Sammlung Furore macht: 650 Stück! So ist Uli schon lange mehr als die Nabelschnur zum Zwick – er steht für Rudolf Rock & die Schocker, für Auftritte im Star Club - mit Lonnie Donegan, Chuck Berry, Jerry Lee Lewis - für enge Freundschaft mit Hugo Egon Balder, Jan Fedder und überhaupt so manch Hamburger Größe.

 

Ich darf sogar die Bühne seiner Tragödien betreten: viele enge Freunde habe er verloren, von denen er wünschte, sie hätten – wie er selbst – ihre Alkoholsucht in Therapiehände gegeben. ‚Lonzo‘ fehle ihm noch immer, doch immerhin… sein Tod habe Uli Demut gelehrt.

 

16 Jahre ist er heute trocken, kommt locker ohne Sprit und Tabak klar, auch wenn er weiß: beum nächsten Tropfen oder Zug - er wäre wieder auf der anderen Seite.

Werde aber nicht passieren, denn er genieße diese Selbstbestimmung, die er nie wieder abgeben wolle. Außerdem stünde ihm ein klarer Kopf viel besser. 


Spät habe er zum 1. Mal geheiratet, die große Liebe hat kein Mindesthaltbarkeitsdatum: Susi Salm! 

Privat sei Uli eher schüchtern, ungern Mensch im Mittelpunkt. Ist kinderlos, was er bereut, doch immerhin als Onkel gut! Und Susis Tochter fülle ebenfalls eine gewisse Lehre.  

Dafür hatte er die besten Eltern der Welt UND ein Elternhaus mit eigener Bar und Übungsraum im Keller.

      

Gesund und fit bleibe er durch Golf, Spaziergänge und die 4 Hunde. Auch ein Pferd gehöre zum Clan - gerettet aus Mallorca.


Die Nähe zu den Promis seien keine Aufwertung, er mag einfach Menschen, erst recht die aufruchtigen, denn die anderen zeigten ihm die dunkle Seite der Medaille. 

Er hofft, ein guter Chef zu sein und bekundet, dass Jaqueline (damals) und Tina (heute), die wahren Tresenperlen waren / sind. 


3 Ableger vom Ur-Zwick in Pö gibt es, aber für den im Mittelweg schlage sein Herz am höchsten.

Trotz der Stille an diesem Morgen in diesen Räumen höre ich Musik, sobald ich in die Wände tauche. Handschriften, Zeitzeugenberichte, historische Fleckengemälde, vergilbte Schnappschüsse und verblasste Fingerabdrücke. In diesen Räumen flossen literweise Schweiß, Blut und Tränen, obwohl es in der Regel eher friedlich zugehe.

Zwick ist Wohnzimmer, Anlaufstelle zum Abschalten, Feiern, Vergessen und Demaskierung. Hier zähle das WIE, nicht das WER, aber vor allem das Sein! Hier sei alles erlaubt, was Mitternächtliches zum Täglichen, nicht zum Alltäglichen mache!

 

Wir schießen noch einmal den Bogen zur Musik. Uli ist wütend, weil so viel große Musik ihre Wertigkeit verloren hat und beschimpft die mangelnde Wertschätzung kreativer Leistungen.

 


Was wird von Uli bleiben, was braucht einer wie er? „Nur eine Bassgitarre und die vielen Memoiren!“ Und natürlich seine Susi, einen Bauernhof und viele Tiere! 

Er hat so vielen Promis die Hand geschüttelt, und wo mein Staunen und Schwärmen gerade Fahrt aufnimmt, wirkt Uli bescheiden nüchtern. Dem Keith Richards wäre er natürlich gern einmal begegnet, den finde er geil. Auch Tina Turner, doch macht es ihn schon glücklich, dass es die überhaupt gibt!


Was das Zwick petzen würde, wenn es sprechen könnte: „Vielleicht, wie der Engelbert (im Herzen ein Rocker) morgens ins Zwick kam und nach dem ersten Gläschen mit seinem Barhocker umgekippt ....“ Uli lacht und betont, dass er das JETZT viel mehr genieße! Das Hier und den Moment!

 

Als ich aufs Rad steige, drücke ich die Nase an der Fensterscheibe platt und sehe mich als junges Mädchen wie im Film vor mir hertanzen. Und ich sehe mich mit einem gemeinsamen Bekannten das leckerste Steak mit Sauce Bernaise den Gaumen streicheln..... leider lange her, noch VOR dem Rauchverbot..... 

Uli hatte nach Umfragen damals entscheiden müssen: ANTI Steak und PRO Zigarette. 


Uli. Ein guter Typ, ein Zwilling halt (wie ich)! ;-)