Conni Köpp meets Ole Ohlendorff.

(Frühjahr 2015)

 

Der Ohlendorff. Souverän, entspannt und in sich ruhend. Wir trinken LandKaffee und sein „Schatz“ schneidet den Baumkuchen auf. Ich sehe sie ihm an, die Geschichten, die aus ihm heraussprudeln und meinen Stift zum Glühen bringen werden.

 

Bei Baujahr 58 muss die Schatztruhe der Erinnerungen des Winseners auch voll sein.

 

Er spricht mir von der Ausbildung bei der Polizei („mit 17 will man doch die Welt retten!“) mitten auf St. Pauli, mitten im Elend, in Tragödien, die andere nur aus der Presse kennen.

 

Irgendwann und eines Abends streift er in zivil den Asphalt ab und landet – zufällig? - auf einer Party im alten Winterhuder Fährhaus. Was er nicht ahnt: Panik-Udo lässt sich gerade seine 30 Jahre Leben feiern! Und Ole feiert schließlich mit.

 

Er schließt Freundschaft mit dem "Panik-Orchester“ und entdeckt für sich die Musik ganz neu. Der Kulturkreis schließt sich, als Literatur und Malerei sich dazu gesellen. Rocker sei er gewesen, aber keiner, der über die Strenge schlug. Er bringt zeichnerisch Szenen der Motorrad-Szene auf Papier, später mischt er Farbe bei.  

 

Nach 6 Jahren schmeißt er den Bullenjob hin, nur die Lederjacke hängt bis heut' im Schrank. Er hat genug der Familientragödien („Wenn Kinder im Spiel sind, geht das echt an die Substanz!“) und versucht jetzt erst mal, seine eigene Welt zu retten (Trennung der Eltern). Ein letztes Mal steht er beim Arbeitsamt, sagt JA zur Kochlehre. Doch als er nach 'ner heftigen Party ins Krankenhaus kommt, schwört er dem Alkohol für immer ab – und auch dem Arbeitsamt!

 

Ein Koch wird nicht aus ihm, er wählt lieber den harten, steinigen Weg. Doch er brennt für seine Kunst , "wo das Fühlen vor dem Denken kommt!" Ohlendorff ist ein Künstler, der sich zu gern in Gesichtern verliert, sie bleiben stets der Fokus seiner späteren Werke. Abmalen will er nicht, "da passiert nichts bei mir!" Und selbst Auftragsarbeiten liegen ihm weit weniger als jene Werke, die seinem eigenem Impuls entspringen („Im Ergebnis sehe ich den Unterschied - ich will kein Handwerk ohne Seele!“).

 

Wenn er malt, malt er überall, richtet sich irgendwo ein und taucht in die Welt der Musik. Verbindet sich mit den Texten, den Tönen, der Leinwand, die er reserviert hält für den Musiker, den er in Öl und Kohle aus dem Jenseits holt.

Bis er berühmt für seine Rock-Head-Serie (bisher 120 Musiker-Köpfe) wird, verstreicht ein bisschen Zeit. Aber die bleibt alles andere als still, denn einer wie Er kann ziemlich laut werden.

Er mischt auf und bedient sich seiner besten Ausdrucksform, der Kunst: In Solingen und Mölln brennen die ersten Asylantenheime, als Ohlendorff 1993 als Künstler mit einem Malerfreund in den Ereignissen einen „Aufruf zum Handeln“ sieht. Auf einer Leinwand verewigt er die Stimmung der Bevölkerung. Das Werk spricht sich rum und Morddrohungen der rechten Szene sind die peitschende Geste auf die Auseinandersetzung und sein Flagge-Zeigen („Auf einmal kriegt das 'ne Eigendynamik, die du nicht mehr kontrollieren kannst!“)! Das Werk schafft es beinahe ins Rathaus, bis er nach einer demokratischen Entscheidung die Absage kassiert.  

 

Ohlendorff – es sprudelt noch, nachdem der Kaffeebecher zum 2. Mal geleert und der letzte Kuchenkrümel vom Teller geleckt...weiter geht der Redefluss und ich darf noch ein Stück von seinem Gestern kosten: vom Wunsch, die große weite Welt zu sehen, von der Reise mit dem „kalten Daumen“, die nach 'nem halben Jahr mit der Rückkehr nach Lüneburg endet, wo Mieten noch erschwinglich waren und Verträge auf Bierdeckeln geschlossen wurden.  

 

Nun steh ich mit dem begnadeten Künstler, der Udo Lindenberg, dem König von Sankt Pauli und vielen Woodstock-Größen die Hände geschüttelt hat, in seinem Garten.

In meinem Kopf besucht mich Janis aus dem Jenseits und besingt mich irgendwie ins Abseits. Könnte ich nur Köpfe malen und ebenfalls gegen das „Vergessen“ kunsteln!  

 

Ohlendorff und sein „Schatz“ sind großartige Menschen. Menschen, in deren Adern das Blut der Kunst siedet, brauchen keinen Stempel einer Kunsthochschule, sie sind ihre eigene Schule und lernen vom Hinsehen und Austausch. „Schatz“ erklärt mir, dass Er sogar mal einen Scheck für ein Bild abgelehnt, in den er den Betrag hätte selbst eintragen können. „Ich bin doch keine Nutte!“ lacht er frech und trägt für mich noch Cash und Hendrix in den Garten. Wer Ohlendorffs Bilder betrachtet, hört Musik. Hört Geschichten, die weit über den Lebensabend hinaus gehen können. 

 

www.ohlendorff-art.de